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Ist die vorsorgliche Entwurmung von Pferden sinnvoll?

von Sabine Müller

In vielen Reitställen ist eine vorsorgliche chemische Entwurmung aller Pferde drei bis vier Mal im Jahr üblich. Dabei wird vorher nicht untersucht, ob und in welchem Ausmaß ein Wurmbefall vorliegt und es wird auch nicht kontrolliert, ob die Entwurmung erfolgreich war. Notwendigkeit und Nutzen dieser Entwurmungspraxis werden weder in Frage gestellt, noch überprüft. Und das, obwohl es bereits seit langem wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema gibt.

So wurde vom Münchener Institut für Parasitologie untersucht, wie der Einsatz von Entwurmungsmittel gegen Spulwürmer bei Fohlen wirkt. Dazu wurden insgesamt 30 Fohlen aus sieben verschiedenen Gestüten auf Spulwürmer getestet.

In sechs Gestüten wurde seit über drei Jahren regelmäßig vorsorglich entwurmt, und zwar je nach Gestüt im Abstand von 2-4 Monaten wechselnd mit verschiedenen Präparaten. In einem Gestüt wurde gezielt nach Kotuntersuchung entwurmt, wenn ein stärkerer Befall vorlag.

Das Ergebnis: 80% der Fohlen schieden Spulwurmeier aus und zwar gleichermaßen in allen Betrieben. Durch die regelmäßige Verabreichung von Wurmkuren wurde die Infektion mit Spulwürmern nicht verhindert, ebenso wenig konnte der Anteil der infizierten Fohlen verringert werden. Die Entwurmung infizierter Fohlen konnte allein die Menge der Eiausscheidung vorübergehend reduzieren.

Das Fazit der Forscher: Es ist begründet anzunehmen, dass durch vorsorgliche Wurmkuren weder eine Infektion von Weiden und Stallungen mit Spulwurmeiern, noch das Infektionsrisiko für Fohlen eingeschränkt wurde und wird.

Eine weitere Untersuchung zum Nutzen einer regelmäßigen vorsorglichen Entwurmung bei jungen und erwachsenen Ponys gibt es aus Newmarket. Von Frühjahr bis Herbst wurde der Kot aus drei Ponygruppen regelmäßig kontrolliert. Für eine Gruppe wurde zweimal in der Woche der Kot abgesammelt, eine Gruppe erhielt jeweils im Frühjahr, Sommer und Herbst eine Wurmkur und in einer Gruppe wurden keinerlei Maßnahmen zur Wurmbekämpfung getroffen.

Gemessen wurde dann die Konzentration der infektiösen Larven im Kot. Erwartungsgemäß war diese in der “Schmuddelgruppe” am höchsten. Sie wurde jedoch gefolgt von der Gruppe mit der dreimaligen Entwurmung. Am besten schnitt die Gruppe ab, in der zweimal wöchentlich Kot abgesammelt wurde. Die Konzentration der Larven betrug in der “Absammelgruppe” nur ein Fünftel gegenüber der “Entwurmgruppe”!

Interessant auch, dass in der “Entwurmgruppe” ein deutlicher Unterschied zwischen der Belastung erwachsener und junger Pferde festgestellt wurde. Trotz Entwurmung war die Befallsintensität junger Pferde um das Zweieinhalbfache höher als bei erwachsenen Pferden.


Würmer bevorzugen junge Pferde

In vielen Untersuchungen über das Vorkommen von Würmern bei Pferden konnte gezeigt werden, dass Fohlen und junge Pferde einen stärkeren Befall zeigen als erwachsene Pferde.

Die bei Pferden am häufigsten vorkommenden Würmer sind die Strongyliden (Palisadenwürmer) und die Askariden (Spulwürmer). Bei den ebenfalls häufig vorkommenden Magendasseln handelt es sich nicht um Würmer, sondern um Fliegenlarven.

Der Befall mit Spulwürmern nimmt bei Pferden nach dem ersten Lebensjahr ab. Bei den Palisadenwürmern steigt die Befallsintensität bis zu einem Alter von drei Jahren an und nimmt dann wieder ab. Wenn ältere Pferde unter einer Wurmerkrankung leiden, findet sich zumeist ein Befall mit Palisadenwürmern.

Pferde können mit einem leichten Wurmbefall leben, ohne zu erkranken. Wenn Erkrankungen durch Wurmbefall auftreten, so sind wieder vor allem junge Pferde betroffen.

Diese Beobachtungen bestätigen, dass Pferde durch eine überstandene Wurminfektion immun werden. Ältere Pferde haben deutlich geringere Befallszahlen. Und auch Erkrankungen älterer Pferde durch Würmer sind seltener.


Kot absammeln und gezielt entwurmen

Das Absammeln von Kot ist die beste Methode, um eine starke Verwurmung der Tiere und eine eventuelle Erkrankung zu verhüten. Zusätzlich kann man über eine Kotuntersuchung prüfen, ob und in welchem Grad eine Verwurmung vorliegt.

Die Kotproben werden daraufhin untersucht, ob sich Wurmeier im Kot befinden, die von den im Darm lebenden Würmern abgegeben werden und die nur unter dem Mikroskop erkannt werden können. Je nach Anzahl der ausgeschiedenen Eier wird auf einen gering-, mittel- oder hochgradigen Wurmbefall geschlossen.

In aller Regel ist eine Kotprobe aussagekräftig. Nicht nachgewiesen werden kann die erste Wurminfektion bei Fohlen. Die Spulwürmer werden erst 6-12 Wochen nach der Infektion geschlechtsreif und produzieren auch erst dann Eier, die mit dem Kot ausgeschieden und über eine Kotprobe erkannt werden können.

Ein Befall mit Magendasseln ist ebenfalls nicht über die Kotprobe nachweisbar, da sich die Larven bis zu 10 Monate im Pferdemagen aufhalten und dort heranwachsen. Die reifen Larven gehen zu Beginn der warmen Jahreszeit ab und sind mit bloßem Auge im Kot erkennbar. Im Sommer kann man beobachten, ob Dasselfliegen ihre Eier in das Haarkleid des Pferdes heften. Die Eier sollte man abzupfen oder abschneiden, und zwar an einem Platz, an dem die Pferde nicht fressen.

Ein wichtiger Maßstab bei der Entscheidung, ob eine chemische Entwurmung angebracht ist, ist der Gesundheitszustand. Das Vorhandensein von Würmern an sich ist – wie gesagt – keine Krankheit! Pferde können in geringen Mengen Würmer haben und sich einer ausgezeichneten Gesundheit erfreuen. Ein leichter Wurmbefall ohne gesundheitliche Störungen ist nicht behandlungsbedürftig.

Bei mittlerem oder starkem Wurmbefall treten vor allem Verdauungsstörungen, Abmagerung und schlechtes Haarkleid auf. Sollte sich bei diesen Symptomen der Verdacht auf eine Wurmerkrankung durch eine Kotprobe bestätigen, kann man gezielt gegen die nachgewiesenen Parasiten vorgehen.


Wie funktionieren “Wurmkuren” – und funktionieren sie?

Chemische Substanzen zur Entwurmung stören den Stoffwechsel der Würmer und hindern die Zellen im Wurmorganismus daran, sich zu teilen – so wirken Benzimidazole und Praziquantel. Oder sie stören die Übertragung von Nervenreizen und führen zu einer Lähmung – so wirken Pyrantel, die Avermectine (Ivermectin) und Milbemycine.

Grundsätzlich wirken die Gifte auch auf den Wirtsorganismus, das Pferd. In einer Wurmkur ist deshalb das Gift so dosiert, dass nur der Wurm und nicht der Wirt geschädigt wird. Geschwächte oder empfindliche Tiere können jedoch auch bei sonst sicheren Dosierungen Nebenwirkungen zeigen.

Wurmkuren verringern den Befall mit Würmern und die Eiausscheidung vorübergehend. Die Anfälligkeit für einen Wurmbefall und eine Wurmerkrankung beheben sie nicht. Bereits kurze Zeit nach der Behandlung können die Pferde wieder vermehrt Wurmeier mit dem Kot ausscheiden.

In einer herstellerunabhängigen Untersuchung wurden bereits 12 Tage nach der Entwurmung mit einer Ivermectin-haltigen Wurmkur wieder Wurmeier im Kot nachgewiesen – eher, als es vom Entwicklungszyklus der Würmer her möglich gewesen wäre. Es müssen also auch Larven kurz vor der Geschlechtsreife oder erwachsene Würmer die Wurmkur überstanden haben.

Wurmkuren, die Benzimidazole enthalten, haben mittlerweile nur noch eine geringe Wirksamkeit. Bei einer Untersuchung in Niedersachsen in den Jahren 2000 und 2001 wurde eine Benzimidazol-Resistenz der Palisadenwürmer in drei viertel der untersuchten Proben ermittelt. Drei viertel der Wurmkuren mit Benzimidazolen wirken also gar nicht.


Fazit

Greift man die eingangs gestellte Frage nach dem Nutzen der gängigen Entwurmungspraxis auf, so muss man feststellen, dass sie nicht nur nicht sinnvoll ist, sondern sogar schädlich sein kann.
Zum einen behindern die häufigen ungezielten und unnötigen Wurmkuren den Aufbau der individuellen Immunität des Pferdes. Zum anderen fördern sie die Ausbildung von Resistenzen bei den Parasiten in einem Maße, dass man befürchten muss, bald kaum noch über wirksame chemische Substanzen bei Erkrankungen durch Würmer zu verfügen.

Außerdem unterbrechen oder verringern Wurmkuren die Eiausscheidung nur vorübergehend. Schon kurze Zeit nach einer Entwurmung können die Pferde wieder geschlechtsreife Würmer beherbergen und Wurmeier ausscheiden. Der vermeintliche Schutz vor Würmern ist trügerisch: Pferdehalter wiegen sich in einer Scheinsicherheit, wenn sie glauben, durch dauernde Entwurmungen ihre Pferde wurmfrei zu halten und vor Infektionen zu schützen.

Entwurmungsmittel können hilfreich sein, wenn ein Pferd unter einer Wurmerkrankung leidet. Sie vermindern die Wurmbelastung des Tieres für eine Weile und erleichtern so den Weg zur Gesundung.

Im Allgemeinen ist das Immunsystem jedoch in der Lage, eine leichte Wurminfektion selbst auszuheilen und Immunität zu erlangen. Wiederkehrender Wurmbefall ist – insbesondere bei erwachsenen Tieren – Zeichen einer tiefer gehenden Störung des Immunsystems. Eine Prüfung der Haltungsbedingungen und gegebenenfalls eine homöopathische Behandlung zur langfristigen Wiederherstellung der gesunden körperlichen Verfassung sind hier zweckmäßig.

Und letzten Endes ist das Kotabsammeln eindeutig die wirkungsvollere Methode zur Verringerung der infektiösen Larven in der Umgebung der Pferde.

Für den Artikel verwendete Quellen:
- Herd RP., Epidemiology and control of equine strongylosis at Newmarket, Equine Vet J. 1986 Nov;18(6):447-52
- Sandy Love, Treatment and prevention of intestinal parasite-associated disease, Vet Clin Equine 19 (2003),791-806
- Rieder, Beelitz, Gothe, Zur Befallshäufigkeit von Parascaris equorum bei Fohlen und ihren Mutterstuten nach jahrelangem planmäßigen Einsatz von Breitspektrum-Anthelmintika in Zuchtbetriebn, Tierärztl. Pax. 1995;23:53-8
- Nicole Wirtherle, Untersuchungen zu Anthelminthika-Resistenzen bei Pferden in Niedersachsen, Diss., Hannover 2003:

© Sabine Müller 2010
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